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Winterzauber
in Tagebuch 11.01.2009 19:42von Carola • Zwischen den Welten | 1.806 Beiträge | 1862 Punkte
Was macht man am Sonntag, bei so schönem Wetter? Man geht raus...^^
12:20 - die zweite Tasse Kaffee in der Küche, Blick auf die Uhr.
"Hartmut, bist du in ner halben Stunde soweit?"
Langer Blick. "Wie jetzt.... willst du echt los? Bei DEM EIS?"
"Genau deswegen."
"Spinnst du? Du bist grad aufgestanden."
"Na und?"
Als ob das ein Hindernis wäre..... Kaffee trinken, kurz ins Brot beißen, Vorplanen, nebeneher SMS tippseln. Bin mal wieder völlig unausgelastet - und das Wetter zieht mich einfach raus. Wieder mal - "andere" nervts irgendwie...
Ich bin es gewohnt, in solchen Fällen auf Unverständnis zu stoßen. Ich liebe die Natur eben auf meine Art - zu jeder Jahreszeit. Das fängt schon im Frühjahr an mit den ersten Schneeglöckchen und hört im Winter mit den glitzernden, von Reif überzogenen Bäumen nosch lange nicht auf. Wolkenspiele am Himmel, stetiger Farbwechsel in der Natur, sternenklare Nächte, sogar Platzregen und heftige Gewitter sind für mich Naturschauspiele, die man nicht verpassen sollte. Ich finde immer was, das mich buchstäblich stundenlang fesseln kann - auch wenn es nur einen Augenblick dauert.
Und auf gehts, mit Männe im Schlepptau. Ein Wintertag wie aus dem Bilderbuch. Blauer Himmel, Sonnenschein, kalt - und was das schönste ist: "On Ice" ist eröffnet. Das letzte gab es irgendwann in den 90ern.
Wird nicht lange halten, Tauwetter ist angesagt in den nächsten Tagen.
Draußen herrscht Hochbetrieb, Parkplätze gibts nur noch bei Rewe vor der Tür, den Rest müssen wir laufen. Dank meiner Gehhilfe kein Problem mehr für mich, während meine bessere Hälfte fortlaufend über die ungeräumten Fußwege schimpft.
Am See bietet sich ein ungewohnter Anblick. Unzählige Menschen tummeln sich auf einer riesigen weißen und spiegelnden Eisfläche. Schlittschuhläufer, Hockeyspieler, Kinder mit Schlitten, Mamis und Papis mit Kinderwagen, Spaziergänger mit Hund. Mitten auf dem Eis drei Pavillons, mehrere Bistrotische drumherum und dicht gedrängte Menschenmengen. Ein seltsamer Duft von Glühwein, heißen Waffeln und Bratwurst liegt in der Luft, laute Musik tönt aus den Lautsprechern des DLRG-Hauses und alles was Schuhe oder Schlittschuhe trägt steht in langen Schlangen vor einer der Zelte und vertreibt sich die Wartezeit in der Kälte mit "Ice-Dance nach Biodanza-Art", nicht nur originell, auch sehr individuell. Irgendwie muss man sich ja warm halten.
Was machen wir hier eigentlich? Typisch Mann... - er denkt natürlich in erster Linie ans futtern. Bereitwillig stellt er sich in einer der Warteschlangen an. Na das kann ewig dauern... Ich drücke ihm 5€ in die Hand und lasse ihn auf seine Bratwurst warten. Wenn er schonmal dabei ist, kann er mir ja auch eine holen. So - der ist erstmal beschäftigt - mein Interesse gilt gerade anderen Dingen.
"Bin gleich wieder da!" Und raus auf den See.
Ein seltsames Gefühl hier auf dem Eis. Seit wir hier wohnen habe ich den See noch nie zugefroren erlebt. Schritt für Schritt weiter hinaus. Mit jedem Schritt verliert sich das komische Gefühl. Die Sonne spiegelt sich im Eis und bricht sich in buchstäblich tausend Strahlen. Der Himmel azurblau, durchzogen von feinen, weißen Schleiern fedriger Wolken. Es sieht aus, als hätte es am Himmel geschneit.
Eine eigenartige leichte und entspannte Stimmung herrscht hier auf dem Eis, trotz der vielen Menschen. Es verläuft sich auf der riesigen Fläche und ein vertrautes Gefühl einer längst vergessenen Erinnerung zieht sich durch meine Gedanken.
Ich tauche ein in eine längst vergessene Welt, Erinnerungen an lang zurückliegende Winterzeiten und einen See tief im Wald. Winterferien, kurz vor Sonnenaufgang, das Thermometer zeigt zweistellige Minustemperaturen. Ich bin wieder mal sehr zeitig aufgestanden, nur schnell einen dicken gestrickten Norwegerpullover geschnappt, um den Hals einen Schal und ein paar zusammengeknotete Schlittschuhe. Wieder einmal ohne Frühstück und der Hund kann jetzt auch nicht mit. Er jault langgezogen auf, in den Augen spiegelt sich tiefe Enttäuschung. Armes Tier. "Bin doch bald wieder da, dann gehen wir beide noch mal." Ich laufe zwei Kilometer querfeldein bis tief in den Wald zum "Moorsee".
Um diese Zeit gehört mir die Eisfläche ganz allein. Innerhalb weniger Tage habe ich hier Schlittschuhlaufen gelernt und das will ich jetzt immerzu. Vorwärts, rückwärts, im Kreis oder einfach quer über den See. Ein Gefühl von Leichtigkeit. Gegen 10:00 Uhr kommen die ersten Hockeyspieler und belagern buchstäblich den halben See. Mir ist sowieso kalt... also ab nach Hause erst mal was warmes trinken, frühstücken und nochmal mitsamt Hund in den Wald.
Irgendwann viel später erreiche ich die Zelte und den Würstchenstand wieder. Genau rechtzeitig, Hartmut ist grad dran. Brrrr - wie kann man nur so lange festgefroren wegen Würstchen anstehen.... ist mir unbegreiflich. Kauend kommt Hartmut auf mich zu, drückt mir eine lauwarme Bratwurst in die Hand und fragt verwundert: "Wo warst du denn die ganze Zeit?"
"Auf dem Eis..."
"Spinnst du, wenn das einkracht... na dann Mahlzeit."
"Ach Quatsch, das kracht nicht ein. Komm doch mal mit!"
"Bin ich wahnsinnig? Baden kann ich auch zu Hause."
"Spielverderber."
Das zieht - mit "Spielverderber" und "Spaßbremsen" kann Man(n) sich schließlich nicht identifizieren. Na dann also los... oder...?
"Äh, müssen wir unbedingt so weit raus..."
"Deine Würstchenbude steht auch mitten im See."
"Das ist was anderes."
"Ja ne ist klar."
Mit jedem Schritt verliert sich sein Widerwille. Aha - wohl auch komisches Gefühl gehabt? Ist doch völlig normal, wer hat das anfangs nicht? Trotzdem ist Man(n) froh, irgendwann das (rettende) gegenüberliegende Ufer zu erreichen. Lieber über unebene, vereiste Fußwege schlittern als noch eine Sekunde länger auf dem See.
"Grillplatz" steht auf einem vereisten Schild, von dem jemand die Eiszapfen abgeschlagen hat. "Hunde-Badestrand" auf einem anderen. Das erste, was mich drüben am anderen Ufer anzieht ist eine dicke, knorrzige Eiche, inmitten einer spiegelnden Eisfläche auf der Wiese, ihre grün-silbern glitzernden Zweige hoch in den Himmel gestreckt. Im Sonnenlicht wirken die Zweige, die nicht von Eis überzogen sind, gespenstisch grün.
Die weißen, fedrigen Wolkenschleier haben sich inzwischen weiter ausgebreitet. Mit jedem Schritt und dem Blick aus verschiedenen Perspektiven verändert sich das Bild, wie leichte Bewegungen und veränderte Lichtreflexe in klarem, leicht bewegten Wasser. Das Bild einer Unterwasserwelt. Als würde man auf dem Grund des Sees stehen und nach oben schauen...
Wenn man jetzt gegen die Sonne über den See schaut, erscheinen die Menschen wie schwarze Schattengestalten, die sich vor dem Hintergrund einer eisblau und silbern schimmernden, mit Goldfäden durchzogenen Kulisse bewegen. Erstaunlich - was Licht und Schatten so alles hervorzaubern können.
Hartmut langweilt sich - und ihm ist kalt, was er natürlich nicht zugibt. Aus Trotz, weil ich vorhin in einem Anflug von Besorgnis doch wieder Mama gespielt habe und ihn gebeten habe, sich "warm anzuziehen".
"Kkkkkönnen wir mal wwwweitergehen....? Issss D I R nichtttt kkkkalt?" fragt Hartmut neben mir. Nö, ist mir nicht. Schon gar nicht, wenn ich gerade dabei bin den Augenblick festzuhalten und in meine "Bilderwelten" zu speichern.
"Was siehst du eigentlich schon wieder? Hier ist es kalt, glatt und zufällig steht hier ein Baum."
Auch eine Art, das Bild zu beschreiben.
Aufgrund unterschiedlicher Meinungen darüber, welche Art Eis besser "trägt", trennen sich unsere Wege kurzzeitig. Hartmut zieht es vor, auf dem völlig vereisten Fußweg weiterzurutschen.
"Hier habe ich wenigstens festen Boden unter den Füßen!"
Ihm ist völlig unverständlich, was es da zu lachen gibt....
Hm - wie war das grad noch mit den Dingen, die man sieht aber nicht vorhanden sind?
Ich bin wieder auf dem See, man trifft sich... spätestens bei den Zelten.
Die Sonne verschwindet langsam zwischen den Bäumen, die weißen Wolkenschleier werden zunehmend pastell-orange bis rosa, die Baumgruppen am Ufer nehmen nach und nach die unterschiedlichsten Farben an. Der Himmel ist jetzt tiefblau und die Eisfläche nimmt immer mehr eine Mischung aus Eisblau und Silber-Weiß an. Der wechselnde Lichteinfall simuliert eine leichte Bewegung. Es sieht einfach toll aus. Da fällt mir ein, ich habe immer noch keinen Fotoapparat. Wird endlich mal Zeit.
Die Schlange an der Würstchen- und Glühweinbude ist immer noch genau so lang wie vorhin. Stellen die Leute sich denn gleich wieder hinten an, nachdem sie etwas ergattert haben? Auch eine Art Beschäftigung. Ich muss mich regelrecht durchkämpfen, um zum Ufer zu kommen. Dort erwartet mich ein durchgefrorener Hartmut. "Gehen wir?" fragt er hoffnungsvoll.
Na gut, so langsam können wir ja mal. Langsam werden die Zehen kalt. Also gut - dann mal ab nach Hause und Kaffee trinken. Der lohnt sich jetzt wirklich.
Und noch etwas schönes: Mein Männe hat es tatsächlich geschafft, drei Stunden am Stück draußen zu bleiben - und es war ihm nicht ein Mal langweilig. (Nur kalt...). Auch eine Art Premiere. Im Normalfall ist nicht mehr als 30-45 Minuten drin. Kann ja nur besser werden^^.
Und was habt ihr heute schönes gemacht?
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Es ist wichtig, umgeben von anderen Menschen zu sein, die dich lieben und dir dadurch eine Referenz für die Existenz in dieser Welt geben.
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Einfach nur phantastisch. Man(n) kann förmlich die Bratwurst riechen und den Glühwein schmecken.
Supi- - mach bitte weiter so -
LG Leonidas
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Es ist besser für das gehasst zu werden was man ist,
als für das geliebt zu werden was man nicht ist
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Mensch Caro ,
das ist ja so schön erzählt! Mag deine Geschichten sehr !
Schreibe doch mal ein Buch über dein Alltag!
Es würde sicher spannend sein !
Finde es toll das du deine Geschichten so gut rüber bringst!
War echt dabei auf deinem Ausflug!Juhui einfach SUPER!
Hab dich lieb
deine Niki
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RE: Winterzauber
in Tagebuch 14.01.2009 14:20von Carola • Zwischen den Welten | 1.806 Beiträge | 1862 Punkte
Habe vor wenigen Minuten eine Mail bekommen von einem ganz lieben Menschen aus Hannover mit einem Bild vom Maschsee am Sonntag Abend. Einfach schauen und genießen.
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